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Scheitern, das.

Nach der Auseinandersetzung um den Auftritt der Polit-Punkband aus Mecklenburg-Vorpommern Feine Sahne Fischfilet im Bauhausgebäude in Dessau-Roßlau (ja, es muss nun wieder so umständlich heißen) geht mir durch den Kopf, dass das gesamte Black Mountain College , wie vorher das bauhaus, und später die hfg ulm an Rechts gescheitert sind, auch wenn es letzten Endes immer die Finanzen waren – 1957, 1933, 1968. In den USA waren es die McCarthy-Ära und der Antikommunismus, die jede freie politische und gesellschaftliche Aktivität einschränkten, in Weimar 1925, dann in Dessau 1932 und schließlich in Berlin, wo Mies van der Rohe versuchte, das bauhaus fortzuführen, erzwangen die Nationalsozialisten dessen Selbstauflösung. Die ausschlaggebenden Ursachen für die Schließung der hfg ulm sind nach wie vor umstritten. Lothar Späth, 1968 Mitglied im Finanzausschuss des Landtags Baden-Württemberg,sagte dazu 2010: »Die CDU war damals, 1968, entschlossen, die hfg in Ulm aufzulösen, obwohl sie eine ziemlich wichtige Aufgabe hatte – auch in der Nachkriegsdiskussion und in ihrer Verbindung zu den Geschwistern Scholl. Die hfg war etwas, was man nicht fassen konnte. […] Der regierenden CDU war das alles, was da in Ulm stattfand, ein bisschen unheimlich.« (Lothar Späth: I believe in the Young Generation – They will do it. In: Jahrbuch 10 – Things Beyond Control. Akademie Schloss Solitude, 2010, S. 26)

Das Scheitern des bauhaus, des Black Mountain College und der hfg ulm war anders, als ein »gescheitertes« Experiment von Buckminster Fuller am Black Mountain College (Asheville, North Carolina, 1933–1957 – gegründet im selben Jahr, als das bauhaus endgültig schloss), zu dem Maria Becker in der Neuen Zürcher Zeitung schrieb: »Wesentlich für das gelebte Experiment war auch das Scheitern. Buckminster Fuller war begeistert, als seine erste geodätische Kuppel unmittelbar nach der Fertigstellung zusammenbrach. Aus dieser Erfahrung gewann er die Erkenntnis, welche Faktoren für die Realisierung entscheidend waren. Beim zweiten Mal klappte es. Die Studenten hingen schwebend an dem fragilen Gerüst. Es war die praktizierte Synergie von Lehre und Alltag, die Innovation hervorbrachte.« . Es war endgültig. Trotzdem steckt auch darin die Chance, neu zu denken, neu anzufangen. Ivan Morris beschreibt das Scheitern als Teil der japanischen Kultur eindrucksvoll in seiner Studie Samurai oder Von der Würde des Scheiterns, 1975, deutsch 1989: »Onoda [Onoda Hirō 小野田寛郎] hat uns gezeigt, dass es im Leben mehr gibt als nur materiellen Wohlstand und Eigeninteresse – nämlich den spirituellen Aspekt, den wir vielleicht vergessen haben.«

Mit den aktuellen Kampagnen um die Gründung des Bauhauses vor 100 Jahren scheitern die Ideen des bauhaus ein zweites Mal. Julia Meer geißelte bereits im Vorfeld das Bauhaus-Merchandising in einem Beitrag in Sprache für die Form* Forum für Design und Rhetorik. Der Versuch, im Pushkin Museum in Moskau eine Präsentation mit Dokumenten und Exponaten aus dem Archiv der Avantgarden (AdA), einer Schenkung von Egidio Marzona an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) und einer Serie von Workshops einzurichten, lief vor die Wand – mit der Empfehlung, wir sollten uns doch ein anderes venue einfallen lassen. Vielleicht ist die Zeit nicht reif für die Ideen der Avantgarden und des bauhaus. Das Museum möchte lieber eine Ausstellung mit Masterpieceshaben, eine übliche Kunst-Kirche … Aber auch Gerhard Matzigs bissiger Beitrag ›Wie ein Anfall von Würfelhusten‹ in der Süddeutschen Zeitung ist ein besserer Weg?

Der Zusammenbruch einer geodätischen Kuppel, auf den Maria Becker anspielt, war kein »Scheitern«, sondern nur ein Fehler in der Konstruktion, den Buckminster Fuller produktiv nutzte.