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Die Neue Typographie

Straßentheater! »Die Neue Typographie«, Einführung für eine Gruppe russischer Designer*innen in der Lobby der Gemäldegalerie am Kulturforum Berlin: Filipp Belov, Valeriia Ganicheva, Olesya Gumenenko, Rustam Gabbasov, Evgeniia Shalimova, Elena Moskovskaya, Gerd Fleischmann, George Kvasnikov, Ramil Gilmanov (im Uhrzeigersinn); nicht im Bild: Bondarev Anton, Oleg Turbaba, Eugene Yukechev, 24. Oktober 2019. Foto © 2019 Eugene Yukechev

Die Ausstellungen und Veranstaltungen zum Gründungsjubiläum des Bauhauses sind beeindruckend. Über die Quellen der als »Bauhausstil« apostrophierten Formen wird wenig gesprochen. Einmal sind es die Ideen des Arbeitsrat für Kunst, dann ist es der Konstruktivismus als Ausdruck des revolutionären Aufbruchs nach der Oktoberrevolution, zum anderen de Stijl. László Moholy-Nagy prägte mit seinem Aufsatz ›Die Neue Typographie‹ im Buch zur ersten Bauhaus-Ausstellung 1923, Staatliches Bauhaus in Weimar 1919–23, München 1923, S. 141, den Begriff. Sieht man sich an, was davor in der Sowjetunion veröffentlicht wurde (und was Moholy-Nagy zum großen Teil kannte), so müsste ›Die Neue Typographie‹ besser Die Konstruktivistische (oder Russische – Sowjetische – Bolschewistische) Typographie heißen. Die schwarzen Cicero-Linien, die Aleksei Gan in seinem epochalen Buch Konstruktivizm, Moskau 1922, als Auszeichnungen verwendet, und die der ›Neuen Typographie‹ auch die Bezeichnung ›Balkentypografie‹ eintrugen – in Zeiten des Weltkrieges die Ränder repräsentativer Todesanzeigen.

Ein weiteres Beispiel sind die beiden von El Lissitzky betreuten programmatischen Hefte von Вещь (Veshch)/Objet/Gegenstand, die als grundlegend für die ›Neue Typographie‹ angesehen werden können. Darin wird der konstruktiven Kunst die Aufgabe zugewiesen, »nicht etwa […] das Leben zu schmücken, sondern es zu organisieren« (1–2, S. 2).

Die Druckwerkstatt am Bauhaus in Weimar war eine reine Kunstdruckerei mit Lithografie, Radierung und Holz- oder Linolschnitt. Drucksachen mit Satz wurden außer Haus hergestellt. Die herausragende typografische Arbeit der Weimarer Zeit sind die Notgeldscheine von Herbert Bayer, damals noch Student, »das Bauhaus in der Hosentasche», 1923. Erst in Dessau gab es eine Druckwerkstatt mit Schriften und einem Tiegel. Leiter der Werkstatt war Herbert Bayer.

Die Schlüsselpublikation war ›elementare typographie‹, ein Sonderheft der Typographischen Mitteilungen, Oktober 1925, herausgegeben vom Bildungsverband der Deutschen Buchdrucker, Leipzig, unter dem Dach des Verbandes der Deutschen Buchdrucker, Auflage ca. 20.000. Autor und spiritus rector war Jan Tschichold (damals: ivan, aus Sympathie für das Sowjet System und mit der Kleinschreibung für das bauhaus, wo diese zum Standard erklärt wurde), mit Beiträgen von Natan Altmnn, Otto Baumberger, Herbert Bayer, Max Burchartz, El Lissitzky, Ladislaus (László) Moholy-Nagy, Farkas F. Molnár, Johannes Molzahn, Kurt Schwitters, Mart Stam, und von ihm selbst. 1928 veröffentlchte Jan Tschichold das Buch Die Neue Typographie, die ›Bibel‹ der Bewegung.

Eine Gruppe junger russischer Designerinnen und Designern wollte sich unter der Leitung von Eugene Yukechev (Gründer und Herausgeber des Online-Magazins Type Journal) ein Bild vom Bauhaus machen und besuchte in Berlin die Ausstellung original bauhaus in der Berlinischen Galerie, in Weimar die Bauten von Henri van de Velde, das Haus am Horn und das neue Bauhaus-Museum Weimar und in Dessau-Roßlau das Bauhaus-Gebäude, die Meisterhäuser, die Siedlung Törten und das neue Bauhaus-Museum Dessau in der Stadtmitte.

In einer kurzen Einführung versuchte ich, die Mitglieder der Gruppe für die Zeit zu sensibilisieren, in der ›Die Neue Typographie‹ als Gestaltungsform erschien, Quellen und Parallelen darzustellen und die Rolle des Gestalters (Designers) oder der Gestalterin (Designerin) damals und heute zu hinterfragen.

Leitsätze waren – wir sprachen Englisch:

  • The New Typography is a new concept of communication in a new society resp. a new world, after the breakdown of all believes and orders in WW I, the Russian Revolution, and the following political and economical disasters. Additional production changed more and more from craft and manufacture to industry.
  • The New Typography was developed and promoted by artists, not by professionals of the trade. Their main concern was propaganda and advertising, not books or newspapers. To get an idea what magazine typography and advertising was like in Germany in 1920 (3 July), see the magazine Jugend.
  • Designing is not a profession but an attitude (László Moholy-Nagy: Vision in Motion. Chicago 1947, p. 42). This is different from design as a business as we experience it today.

Design education should be organized in projects not in subjects: Life does not care of any class schedules.