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Bau Hau

Gerd Fleischmann

bauhausfassade

Bauhaus Dessau, Stirnseite des Werkstattflügels, Strukturmerkmale der Fassadenbeschriftung, Herbert Bayer, 1926

Ohne besondere Konzentration gelingt es einem Vietnamesen nicht, den Namen »Bauhaus« mit dem Schluss-s richtig auszusprechen. Die Artikulation zerlegt das Wort in zwei gleich betonte Silben: bau hau. Dabei wird unbeabsichtigt ein Prägnanzaspekt des Institutsnamens verstärkt, der in der Lautwiederholung liegt. Aber auch in unserer Aussprache mit der Betonung auf der ersten Silbe bleibt noch genug Wirkung. Die zweite Silbe wirkt fast wie ein Echo der ersten und schließt mit einem stimmlosen s. Für Walter Gropius waren solche Überlegungen weit entfernt von seinem Interesse bei der Namensfindung für die vereinigten Gestaltungsschulen in Weimar, der Hochschule für bildende Kunst und der Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule. Er hatte die mittelalterlichen Bauhütten im Kopf und Bauen als die umfassendste Gestaltungsaufgabe. So beginnt das Manifest des Staatlichen Bauhauses in Weimar, gedruckt am 2. Mai 1919, auch mit dem programmatischen Satz: » Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau!«

Was in Weimar noch in dem Gehäuse stattfand, das Henry van de Velde geschaffen hatte, wurde erst mit dem Neubau in Dessau 1925/26 deutlich und sichtbar. Was damals noch auf freiem Feld stand, wirkt heute wie ein Solitär in der architektonisch wenig interessanten Umgebung an der nach dem Gründer des Bauhauses benannten Allee. Von Anfang an wurde die der Stadt zugewandte Stirnseite des sonst großflächig verglasten Werkstattgebäudes als Werbefläche benutzt. Das Standardfoto, wohl von Lucia Moholy, zeigt immer den Werkstattflügel von Süden, die »laboratoriums-, werkstatt- und lehrräume des bauhauses« (bauhaus 1, 1926), mit der weit vor der Wand stehenden vertikalen Zeile  B A U H A U S  in filigraner Stiftmontage, dahinter den flachen Aula-, Mensa- und Bühnenbau und rechts das hoch aufragende Atelierhaus. Das Fachschulgebäude wird fast immer zum größten Teil verdeckt.

Die Zeile in Versalien ist einerseits ein Geniestreich, andererseits ein Anachronismus, denn Ende 1925 hatte sich das Bauhaus endgültig für die ›kleinschreibung‹ entschieden.

Neben dem semantischen ›Witz‹ im Namen selbst und dem Gleichklang der beiden Silben hat Herbert Bayer eine Reihe von strukturellen Eigenschaften der Zeichen und ihrer Abfolge ausgenutzt, bewusst oder unbewusst, als »Gott oder Gliedermann« (Heinrich von Kleist): Gleichheit, Ähnlichkeit, Wiederholung, Richtungen und Symmetrien. Alle Zeichen haben etwa die gleiche quadratische Grundfläche, die gleiche Größe, Höhe und Breite

Mit dem Schattenwurf läuft dazu jeden Tag bei Sonnenschein ein ›Film‹ auf der Fassade. Die weit von der Wand abstehenden, relativ dünnen Lettern in Stiftmontage werfen einen Schatten, der langsam von links nach rechts wandert. Bisher kenne ich keinen Beleg, aber Bayer muss das, wenn auch nicht geplant, so doch geahnt haben.

Die offensichtlichste und als Symmetrie wahrgenommene Eigenschaft ist die von oben und unten mit dem Querstrich des H als Symmetrieachse. Dabei werden B und S durch ihre Binnengliederung gleich gesehen und auch A und U, deren Außenformen ja tatsächlich gleich sind, das das A von der gewohnten Antiquaform abweicht.

Auffällig ist auch die Degression der horizontalen Gliederungen in den ersten drei Zeichen B, A und U – 3, 2, 1. Auch in der Folge A, U, S steckt ein Kalkül: 2 + 1 = 3, aus dem Beginn der Fibonacci-Folge.

Die Fenster mit dem Raster 4:5 sind links an die Mittelachse des Fassadenrechtecks angeschlagen. Der Abstand der Beschriftung von der Ecke links wirkt gleich breit wie der der Fenster rechts.

Die Ironie in der Geschichte: 1926 verlangt Herbert Bayer in seinem Beitrag ›Versuch einer neuen Schrift‹ im Oktoberheft der Zeitschrift Offset, in dem er seinen Versuch einer Universal-Schrift vorstellt, die »Komposition aller Staben in den primären Formen Kreis, Quadrat, durchgehend gleiche Balkenstärke, nur ein Alfabet, also nicht eines mit Großbuchstaben und eines mit Kleinbuchstaben«. Er weist er darauf hin, »daß [die] Beschränkung auf ein Alfabet große Zeit- und Materialersparnis bedeutet (man denke nur an die Schreibmaschine)«. »warum großschreiben, wenn man nicht groß sprechen kann?«

Mehr dazu am 10. Dezember 2013 in Dessau: Dimensions of Raum.