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Kein Witz.

Gerd Fleischmann

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Ein Banner, das es nicht geben wird.

Die Politik der Erinnerungskultur verbietet, das Wort »Auschwitz« zu trennen, um »witz« zu vermeiden. Tabubruch hin, Tabubruch her – mir ist bei dem Wort noch nie »Witz« eingefallen. Das Wort hat ja auch den Anfang »Ausch«. Es gibt kein zweites Wort im Deutschen und wohl auch in keiner anderen Sprache, das so anfängt und getrennt wird. Und mit »aus-che-cken« kann man es nicht verwechseln, da der Kontext sicher immer ein ganz anderer ist.

Nach einer intensiven Diskussion mit dem Direktor der Geschichtsmuseen in der Landeshauptstadt Erfurt und dem Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz waren wir so weit, dass das provokative Banner für die aktuelle Ausstellung werben sollte. Am Ende scheiterte das Ganze daran, dass der Hersteller keine Lösung anbieten konnte und wollte, wie das 6 m hohe Banner mit hauseigenen Kräften und durch die Fenster gewechselt werden kann. Die Miete für einen Hubwagen einmal im Jahr ist offenbar zu hoch. Da stellt sich die Frage, wie die Stadt die Straßenbeleuchtung wartet.

Jetzt gibt es die Chance, das Banner im Kontext eines anderen Projektes zu realisieren. Aber der Denkmalschutz lässt es (bisher) nicht zu, dass das Banner einen Risalit, einen die Fassade gliedernden Vorsprung verdeckt – zum Teil. Unser Auge würde aber jederzeit das verdeckte Teil ergänzen. Nach dem Gesetz der guten Fortsetzung (oder der durchgehenden Linie) und der Trägheit unseres Auges wird der Risalit trotzdem gesehen. Ist das Haus nicht erst durch seine Geschichte Denkmal? Nicht aufgrund der besonderen architektonischen und baulichen Qualität? Um die geschichtliche Dimension zur Wirkung zu bringen, muss Werbung gemacht werden – auch über einem Risalit, der in der Wahrnehmung erhalten bleibt. Das Haus steht ja gerade wegen seiner inhaltlichen Bedeutung unter Denkmalschutz, nicht wegen seiner Architektur. Daher ist eine Störung des schönen grauen Bildes notwendig.

In der aktuellen Sonderausstellung heißt der Beitrag aus Polen nun »Deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager AUSCHWITZ« eine Tautologie, als wäre auch denkbar, dass vor »nationalsozialistisch« etwas anderes stehe. Vielleicht auch eine Reaktion auf eine Rede von Barack Obama. Wir machen es uns aber auch zu einfach, wenn wir immer von dem »nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager« sprechen. Die Täter waren Deutsche – und auch viele der Opfer. Das soll auch ein Gesetzentwurf in Polen unterstreichen.

Der Kompromiss mit dem Denkmalschutz führte schlussendlich zu einem 8 m hohen Fahnenmast vor dem Haus, an dem der Erinnerungsort ohne fremde Hilfe die (kleineren) Fahnen austauschen kann …

Kommentar von Hans-Jürgen Steinmüller, Berlin (gekürzt): »… das Banner […] ist zwar eindringlich in seiner Gestaltung, aber nicht provokativ. Die […] mögliche Irritation hinsichtlich der Trennung des Wortes sehe ich nicht, weil sie durch den Buchstaben H geht. So bleibt der Begriff Auschwitz beim Lesen ungetrennt erhalten. Die polnische Bezeichnung des KZ Auschwitz als »Deutsches nationalsozialisitisches Konzentrationslager« halte ich im Sinne einer eindeutigen Zuordnung für hinnehmbar. Im früheren Ostblock war fast nur von Faschisten die Rede und bei uns nur von Nazis. Damit sollte eine pauschale Schuldzuweisung an die Deutschen vermieden werden. […] Werner Finck hatte in einer Kabarett-Sendung nach dem Krieg gesagt: »Vor dem 8. Mai 1945 hätte es so viele Nazis in Deutschland gegeben, und danach fast gar keine mehr …«