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9 Jahre, bisher ein Monat Schule, insgesamt.

Gerd Fleischmann

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Schreibversuch. Ohne lateinische Buchstaben geht nichts.

Ein ehemaliges Gutsdorf in der Mecklenburgischen Schweiz. Vielleicht 80 Seelen. Teil einer Gemeinde mit 860 Einwohnern (September 2014). Dazu kamen nun 25 Flüchtlinge aus Syrien. Sie wurden im Rahmen einer privaten Initiative in einem Mehrfamilienhaus (einer Platte) untergebracht. Ein Unternehmen aus Rostock hat gerade pro bono Internet und W-Lan installiert. Männer, Frauen, ältere und Jugendliche – und ein Kind. Mit seinen neun Jahren hat der kleine Junge zuhause im umkämpften Deir ez-Zor im Nordosten des Landes seit Jahren keine Schule besuchen können. Heute ist die ehemalige Millionenstadt fast menschenleer. Auf der Flucht war er gerade einmal einen Monat in einem Lager in der Türkei einer Schule besucht. Er kann kaum arabisch schreiben. Unser Alphabet kennt er nicht. Die lateinischen Buchstaben malt er ab. Eine Frau aus der Gruppe, die mit Englisch sowohl Druckschrift als auch Schreibschrift gelernt hat, versucht, mit ihm die Strichfolgen und Formen unserer Buchstaben zu üben. Vielleicht gelingt es, dass er bald in eine Schule darf. Er will lernen. Alle warten darauf, anerkannt zu werden, um eine neue Existenz aufbauen zu können. Dann aber kommen andere. Der MV-Innenminister sieht nur Zahlen. Aber es sind einzelne Menschen. Einzelne Schicksale. Auf dem Handy haben sie nur Bilder ihrer Familien bei sich … Der Gemeinderat hat das Thema nicht auf der Tagesordnung.