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Obszön

Gerd Fleischmann

Subodh Gupta: Ray, 2012 Edelstahl, 400 x 400 x 600 cm

Subodh Gupta: Ray, 2012
Edelstahl, 400 x 400 x 600 cm

Im Hof der National Gallery of Modern Art in New Delhi steht auf einer Rasenfläche ein sechs Meter hoher Haufen glänzender Edelstahl-Küchengegenstände, die wie in einem Strahl aus einem überdimensionierten Eimer geschüttet zu werden scheinen. Alle Teile sind über einer nicht sichtbaren Tragekonstruktion zusammengeschweißt. Nur einzelne Deckel lassen sich noch bewegen. Der Titel der Skulptur (oder des Machwerks) von Subodh Gupta ist Ray, Strahl, Lichtstrahl. Die Arbeit gehört zu der Einzelausstellung des Künstlers Everthing is Inside, die Germano Celant kuratiert hat, der Pate der arte povera.

Die Skulptur ist von der Straße aus nicht zu sehen. Vielleicht auch, um den Zorn nicht anzuziehen. In der Ausstellung selbst sind dann für Transporte von Sackballen zweckentfremdete Einkaufswagen großzügig präsentiert, vergoldet oder golden angestrichen und die abgeformte Ladung silbrig gegossen, in einem Raum eine runde Hütte aus getrockneten Kuhfladen, die unmittelbar an die Iglus von Mario Merz erinnert – bei allem ein Gefühl des déjà vu.

Das Museum liegt in einer ruhigen Gegend mit Parks und Gärten in der Nähe des India Gate. Nichts erinnert hier an die Garküchen und den Lärm in Old Delhi oder die Armen, die unter fly roads hausen und sich ihr weniges Essen in altem, verbeultem Aluminiumgeschirr zubereiten. Für den Kunstmarkt ist wohl Edelstahlgeschirr das Markenzeichen von Subodh Gupta. So unterstützt auch Hauser & Wirth, Zürich, London und New York, wo er unter Vertrag ist, die Ausstellung. Arbeiten, die einmal in einem Museum gezeigt wurden, sind dadurch ›geadelt‹ und steigen in der Regel im Preis.

Das Ganze wäre keine Kunst und auch nicht zu handeln, wenn Gupta das Geschirr den Leuten schenken würde, die es gebrauchen können, anstatt es zu zerstören und das unbrauchbare Ganze dann denen zu verkaufen, die ohnehin nicht wissen, wohin mit dem Geld. Er könnte auch zu jedem Topf, den er zu Kunst verarbeitet oder verarbeiten lässt, einen gleichen verschenken. Dabei liefe er aber Gefahr, dass ihm bewusst wird, wie hohl sein Treiben ist – im wahren Sinn des Wortes. Der allgemeinen Handlungsfreiheit jedoch sind Grenzen gesetzt, wenn sie die Ordnung einer Gesellschaft, ihre Sitten oder auch das Gewissen Einzelner verletzt. Eine solche Grenzüberschreitung empfinden wir als obszön, als Tabu-Bruch und eine Herausforderung zum Kampf.